Hier kommt deine Chance ein Mädchen zu hören, das dir auf dem Saxofon die Ohren wegbläst
- Katja Peteratzinger

- 6. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug.
Wenn sich am 31. August 2025 die Sonne über den See und den Kurpark am Bowling Green des Wiesbadener Kurhauses senkt, wird dort der warme Klang eines Saxofons durch die abendliche Luft gleiten. Es werden vermutlich Klänge sein, die nicht nur im Ohr bleiben. Die Musik von Candy Dulfer setzt sich tiefer fest – in der Brust, im Bauch, mitten im Nervensystem.
Das Rheingau-Musik-Festival hat Candy Dulfer in die Region geholt. Diese Ikone des Funks und Smooth‑Jazz ist Ende des Monats in Wiesbaden live zu erleben. Sie bringt unter dem Motto „Candy & the Kids“ junge Talente und erfahrene Sounds zusammen. Schon die Ankündigung zeigt, worum es ihr geht: „Junge Künstler brauchen Menschen, die an sie glauben“, sagt sie, und erinnert sich dankbar an die Unterstützung ihres Vaters Hans Dulfer, und von Menschen wie Dave Stewart und Prince. Jetzt will sie selbst als Mentorin wirken.

„Junge Künstler brauchen Menschen, die an sie glauben“
Wenn Candy Dulfer spielt, wird’s still im Herzen. Da ist ein Ton, der nicht um Aufmerksamkeit kämpft – und doch bekommt er sie. Kein Effekt, keine Pose, sondern pure Präsenz. Candy Dulfers Saxofon spricht nicht nur – es hört auch zu. Es findet die Zwischenräume, in denen Gefühle leben, für die wir oft keine Worte haben.
Ihr Sound ist durchdrungen von Wärme und Klarheit, von Groove und einem fast intuitiven Gespür für das, was gerade gebraucht wird: ein Hauch Soul, ein Aufbegehren im Funk, ein Moment der Zärtlichkeit im Jazz. Sie vermischt Stile nicht der Show wegen, sondern weil sie darin Muße findet. Und genau deshalb klingen ihre Konzerte so, als würde man für einen Augenblick sich selbst begegnen. In ihren besten Momenten scheint sie gar nicht zu spielen, sondern etwas freizulegen, das bereits da ist: Sehnsucht, Melancholie, Kraft. Für Menschen mit Tiefgang ist das ein Traum.
Dulfer mischt Funk, Soul, Jazz, Pop – aber es ist nicht der Stil allein, der zählt, sondern die Botschaft. Da ist keine musikalische Arroganz, keine intellektuelle Distanz, sondern Wärme und Zugewandheit. Ihre Töne sind geerdet und gleichzeitig leicht, wie ein Lufthauch, der durch Erinnerungen streicht. Wer ihre Balladen hört, spürt: Hier wird nicht nur musiziert, hier wird verstanden. Und wenn sie dann das Tempo anzieht, swingt das pure Leben mit.
Vielleicht ist es genau das, was ihre Konzerte so besonders macht: Man ist mit vielen Menschen gemeinsam im Publikum – und doch fühlt es sich an, als hätte sie gerade einem selbst und persönlich etwas gesagt. Und dann wird es still im Herzen. Nicht leer. Sondern ruhig.
Viele Menschen kennen Dulfer durch das berühmte Instrumental „Lily Was Here“ mit Dave Stewart. Was kaum jemand weiß: Die Aufnahme war ein spontaner Jam am Ende eines langen Studiotages. Dave Stewart lud die damals 19‑jährige Saxofonistin ein, ohne dass sie je eigenes Material veröffentlicht hatte. Der Titel blieb fünf Wochen lang auf Platz 1 der niederländischen Charts und wurde sogar in Großbritannien und den USA zu einem Hit. Dieser unerwartete Erfolg ermutigte sie, ihr eigenes Album „Saxuality“ aufzunehmen und katapultierte sie auf die internationale Bühne – ihr Debüt verkaufte sich millionenfach und erhielt eine Grammy‑Nominierung.
Heute zählt sie mit weltweit über 2,5 Millionen verkauften Alben und Auftritten mit Weltstars wie Prince, Van Morrison, Madonna, Beyoncé, Aretha Franklin oder Pink Floyd selbst zu den renommiertesten Saxofonistinnen und ganz Großen der Szene.
Von der Kinderstube zur Weltbühne mit dem Saxofon
Die Geschichte von Candy Dulfer beginnt nicht auf den großen Bühnen, sondern in einem Amsterdamer Kinderzimmer. Ihr Vater, der Jazzsaxofonist Hans Dulfer, nahm sie als Vierjährige mit zu einem Konzert von Sonny Rollins. Schon mit sechs Jahren griff sie selbst zum Saxofon und startete mit dreizehn ihre eigene Band Funky Stuff. In ihrer Jugend spielte sie in einer Blaskapelle und lernte am meisten, indem sie ihrem Vater beim Proben zusah.
Sie machte früh auf sich aufmerksam: Mit zwölf Jahren stand sie mit Rosa Kings Ladies’ Horn Section beim North Sea Jazz Festival auf der Bühne, mit vierzehn gründete sie ihre Band und wurde 1987 als Vorgruppe für Madonnas Europatour gebucht. 1988 holte Prince sie für ein improvisiertes Solo auf die Bühne. Ein Jahr später tauchte sie in seinem „Partyman“-Video auf.
Eine besonders inspirierende Episode erzählt sie im Interview mit dem us-amerikanischen Radiosender WBGO: Als Teenager wurde sie als Support‑Act für Prince gebucht, doch die Shows wurden kurzfristig abgesagt. Wütend schrieb sie ihm einen Brief: „Musiker sollten loyal zueinander sein… Du verpasst die Chance, ein Mädchen zu hören, das dir auf dem Saxofon die Ohren wegbläst.“ Den Brief übergab sie Sheila E., die ihn Prince weiterreichte. Kurz darauf durfte Candy Dulfer mit ihm spielen – der Beginn einer langen künstlerischen Freundschaft.
„Musiker sollten loyal zueinander sein … Du verpasst die Chance, ein Mädchen zu hören, das dir auf dem Saxofon die Ohren wegbläst.“
Seither hat sie mit Künstlern wie Van Morrison, Maceo Parker, Sheila E., Mavis Staples, Lionel Richie, Beyoncé, Pink Floyd und Chaka Khan gearbeitet. Ihr Debütalbum „Saxuality“ wurde 1990 für einen Grammy nominiert; ihre Solo-Alben verkauften sich weltweit über 2,5 Millionen Mal. Trotz des Erfolgs ist sie größtenteils Autodidaktin geblieben und betont bis heute, wie wichtig Leidenschaft und Freude am Instrument sind.

Mentorin und Funk-Jazz-Botschafterin
Heute nutzt Candy Dulfer ihre Prominenz, um junge Talente zu fördern. Ihr aktuelles Album „We Never Stop“ (2022) entstand in der Pandemie und soll „den Schmerz wegfunkeln“, wie sie sagt. Sie moderiert eine wöchentliche Radiosendung, engagiert sich für die ALS‑Stiftung und hat mit der „Music in my Kitchen Challenge“ im Lockdown neue Wege gefunden, Menschen mit Musik zu verbinden.
Der Mentoring‑Gedanke steht auch beim Rheingau‑Konzert im Mittelpunkt. Gemeinsam mit Justin‑Lee Schultz, Jamie‑Leigh Schultz und Aronthebassist will Dulfer die Energie verschiedener Generationen auf die Bühne bringen. Justin‑Lee beherrscht mehrere Instrumente, Jamie‑Leigh ist Schlagzeugerin und Bassistin, beide haben bereits mit Stars wie Sheila E. und Stevie Wonder gespielt; Aronthebassist erinnert Dulfer trotz seines jungen Alters an Jaco Pastorius. „Gemeinsam finden wir heraus, was wir voneinander lernen können und präsentieren so ein großartiges Konzert im Kurpark Wiesbaden“, verspricht sie.
„Gemeinsam finden wir heraus, was wir voneinander lernen können und präsentieren so ein großartiges Konzert im Kurpark Wiesbaden“
Schaukelstuhlmoment: Der Blick nach vorne
Das Bowling Green vor dem Wiesbadener Kurhaus wird die angemessene Kulisse bieten für diesen Abend der Extraklasse, der eine besondere Magie verspricht. Ihr Ton ist für gewöhnlich zugleich warm und frech, mal zärtlich, mal funkig – ein Klang, der an die großen Vorbilder wie Maceo Parker erinnert und doch unverkennbar ihr gehört. Als Kind hat sie gelernt, dass Unterhaltung genauso wichtig ist wie Virtuosität. Diese Mischung spürt man in jeder Phrase: Hinter ihren schnellen Läufen verbirgt sich eine tiefe Soul‑Note, in den ruhigen Passagen lässt sie den Atem hörbar werden.
Wer einmal „Lily Was Here“ im Morgengrauen gehört hat, kennt diesen Effekt: Das Stück ist melancholisch und zugleich hoffnungsvoll. Dulfer verbindet Grooves, die zum Mitwippen einladen, mit improvisierten Melodielinien, die mitziehen. Ihre Musik eröffnet Spielräume für eigene Erinnerungen – man fühlt sich an Südfrankreich-Sommerabende, Jersey-Strandspaziergänge oder erste Küsse beim Date erinnert. Vielleicht liegt darin der Kern ihres Erfolges: Sie spricht sowohl Herz als auch Kopf an. Dass sie diese Gabe in Wiesbaden teilen wird und gleichzeitig den Staffelstab an eine neue Generation weiterreicht, macht diesen Abend für mich zu einem echten Schaukelstuhlmoment.
Kurzinfo zu Candy Dulfer (Auswahl)
Thema | Stichwort/Ort |
Geburt | 19.09.1969 in Amsterdam |
Frühe Jahre | Schlagzeug mit 5, Sopran-Saxofon mit 6, erste eigene Band "Funky Stuff“ mit 13 |
Durchbruch | „Lily Was Here“ (Jam mit Dave Stewart) wird 1989 Nr. 1‑Hit; Aufnahme entstand in einem einzigen Take |
Mentorin | Statement: „Junge Künstler brauchen Menschen, die an sie glauben“ |
Inspiration | Als 17‑Jährige schreibt sie Prince einen Brief mit dem Zitat: „Musiker sollten loyal zueinander sein … Du verpasst die Chance, ein Mädchen zu hören, das dir auf dem Saxofon die Ohren wegbläst.“ Sheila E. überreicht ihn; daraufhin bekommt sie die Chance, mit Prince auf der Bühne zu stehen |
Aktuelle Projekte | Album „We Never Stop“ (2022) reflektiert Pandemie; Ziel: junge Menschen inspirieren |
Quellen:
Autorin:
Katja Peteratzinger
Int. Diplom-Betriebswirtin FH
Hof Gnadenthal 3
65597 Hünfelden


